Presse zu

Harburger Anzeigen und Nachrichten - 8. Juli 1985

“Brechts 'Kleinbürgerhochzeit' in Sinstorf”

Die dünne Tünche zerbröckelt

(cpt). Im Jahre 1920 schrieb Bert Brecht das Theaterstück "Kleinbürgerhochzeit". Es gehjt um eine Hochzeitsfeier, in deren Verlauf Brautleute und Gäste lange unterdrückte Konflikte ausleben und die dünne Tünche der gesellschaftlichen Konventionen zerbröckelt.

Das "Kattenberger Hoftheater", eine in Sinstorf heimische Amateurbühne, hat sich nun des Stückes angenommen. Es gelingt den jungen Schausoielern dabei, die Aussage Brechts von der Falschheit bürgerlicher Normen zu übermitteln, ohne übertrieben klamottig zu werden. Das heißt allerdings nicht, daß es in Sinstorfer Gemeindehaus nun bierernst zugeht. Das Stück ist von Brecht als Komödie angelegt worden, und als das wird es vom "Kattenberger Hoftheater" gespielt.

Verblüffend sind die schauspielerischen Fähigkeiten, die von den "Kattenbergern" gezeigt werden. Uwe Tesch spielt den sebstzufriedenen, paschahaften Bräutigam, als hätte er Jahre Erfahrung in dieser Rolle. Heiner Schmidt als der Freund des Bräutigams geht in seinem Part "trunkener Zotenreißer" auf und Eckhard Grieger spricht die vor Zynismus triefenden Wahrheiten aus, als wolle er wirklich jemanden treffen.

Besonders gut gefiel Sabine Meyer als Freundin der Braut. Erst stellt sie ihren Mann (Eckhard Grieger) bloß, indem sie seine Anweisungen mißachtet, dann provoziert sie beim Tanz die Lüsternheit des Bräutigams, um die Braut zu treffen und als erste zerbricht sie ein Möbelstück. Hier hat Brecht eine interessante Parallele zwischen tatsächlicher Handlung und der Interaktion zwischen den Charakteren geschaffen.

Zu Beginn des Stückes tut der Bräutigam stolz kund, er habe alle Möbelstücke mit eigenen Händen gebaut. Gleichzeitig mit den immer ätzender werdenden Gemeinheiten, die die Personen austauschen, gehen mehr und mehr Möbel zu Bruch. Symbol für die Brüchigkeit bürgerlicher Konventionen.

Hamburger Abendblatt - 8. Juli 1985

Detailgetreu

A.Br. Harburg - Das seit 1980 bestehende "Kattenberger Hoftheater" beschränkt sich auf eine Inszenierung pro Jahr. Und das scheint gut so, denn seine Aufführung von Bert Brechts "Kleinbürgerhochzeit", die am Sonnabend im Sinstorfer Gemeindehaus Premiere hatte, strahlte nicht nur Sicherheit der Akteure aus, sondern besaß auch liebevolle Details. Auch der Versuch, mit Bemerkungen das über 60 Jahre alte Stück an die Jetztzeit heranzuführen, war mehr als nur ein Gag.

Brechts "Kleinbürgerhochzeit" um eine Braut, die schwanger ist, um einen Vater, der nicht müde wird, ausgesprochen blöde Geschichten zu erzählen, um selbstgebautes Mobiliar, das die erste Belastung nicht aushält und Gäste, die schnippisch sind und mit Alkohol nicht umgehen können, kann so auch heute noch gut gespielt werden. Die "Kattenberger" erfreuten damit eine Stunde ihr Publikum.

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